Malpricht, Max

* 19.12.1875 in Merseburg
† 6.12.1941 in Berlin

Sohn von Tischlermeister Ernst Adolph Malpricht und dessen Ehefrau Emilie Malpricht (geb. Jahns)

Malpricht wird zunächst Volksschullehrer. Von 1908 bis zum Beginn des I. Weltkrieges ist er in Rixdorf bei Berlin nachgewiesen, ab 1914 dann als Lehrer a.D. in Neukölln. Der Eintrag „Lehrer a.D.“ bleibt bis 1920 im Berliner Adressbuch erhalten; eine Teilnahme am I. Weltkrieg ist nicht nachgewiesen, wohl aber wahrscheinlich. Nach eigenen Aussagen engagiert er sich in der frühen Nachkriegszeit im „Arbeitsrat für Kunst“ (vermutlich in Berlin); ein Nachweis dafür steht ebenfalls noch aus. In den Jahren bis zur Mitte der 20er Jahre fehlen biographische Nachweise; ab etwa 1927 beginnt dann sein zweites Leben als bildender Künstler, spätestens zu jener Zeit der KPD nahestehend bzw. Mitglied der Partei. In einem handschriftlichen Bewerbungsschreiben für eine finanzielle Unterstützung an Max Osborn, von 1914 bis 1933 Kunstkritiker der Vossischen Zeitung, vom 20.12.1930 hält er fest: „Ich male etwa 3 ½ Jahre.“(1).
Malprichts Leben ist äußerst prekär; im selben Schreiben heißt es: „Meine Wohnung hat 2 x 20 qm Bodenfläche, mit Küche und eine (1/2 fenstrige) Mädchenkammer. Ich habe hier vier Menschen (zwei Erwachsene, zwei Kinder) zusammen.
Die Bilder male ich auf meinem Bett. Mein Abstand von der Leinwand beträgt m 2.-“(2).
Malpricht ist auf finanzielle Unterstützung angewiesen; und er erhält sie in den Jahren von 1927 bis mindestens 1931 halbwegs regelmäßig von den unterschiedlichen Institutionen, mehrfach vom Preußischen Kultusministerium (z.B. 1927, 1931), vom Reichsverband bildender Künstler oder vom Provinzialschulkollegium.
In den Jahren 1927 bis 1932 sind seine Arbeiten in Berlin regelmäßig auf Ausstellungen zu sehen, beginnend mit der (159.) „Sturm“-Ausstellung im Juni 1927 (zusammen mit Alexej Remisow). Darunter befinden sich mehrere Einzel- (Zwei-Personen-) bzw. Kollektivschauen(3).
Malpricht, von dessen Werk es kaum erhaltene Originale oder Abbildungen (abgesehen von bislang zwei nachgewiesenen Ausnahmen) aus den Jahren bis 1933 gibt, hat sich in den wenigen Jahren bis zum Beginn der Naziherrschaft als Maler wie als Bildhauer einen (bescheidenen) Namen gemacht. Schenkt man den Hinweisen zu und Rezensionen über Ausstellungen Malpricht’scher Werke Glauben, hat er sich als Maler mit zwei Werkgruppen beschäftigt: mit Klebebildern (heute wäre „Collage“ der häufiger gebrauchte Begriff) sowie mit Porträts von Führern der sozialistischen Bewegung. Erstere werden charakterisiert als „ein buntes Durcheinander von Witz und farbig-ornamentaler Ekstase“(4) oder „mit aber Tausend Pinselstrichen oder bunten Papierschnitzeln gearbeiteten, verwirrend bunten Farbkompositionen“(5). Bei letzteren „lässt [er] aus flimmerndem Hintergrund die Köpfe revolutionärer Führer … bildhaft-plastisch herauswachsen“(6). Von seinen plastischen Arbeiten werden nur wenige benannt, z.B. eine „alte Proletarierin“.
Malpricht beansprucht für sich, „daß [!] sein Kampf ein Teil des Klassenkampfes des revolutionären Proletariats sei“(7). Diese klar politische Haltung, die in eine Mitgliedschaft in der ASSO (später „Bund revolutionärer bildender Künstler“) mündet, führt mehrfach dazu, dass Werke Malprichts ausjuriert oder bereits vor Ausstellungsbeginn abgehängt werden (Frühjahr 1930, Herbst 1932; vgl. Chronologie der Ausstellungen), und zu diametral voneinander abweichenden Wertungen seines Werks: Die konservative Presse (der „Vorwärts“ inbegriffen) sieht nur „Orgien eines läppischen Fanatismus“(8) oder wertet ihn als „ein ganz verspieltes Talent, das durch Absonderlichkeiten zu wirken sucht“(9). Auf der anderen Seite stehen Kritiker wie Ernst Collin von der republikanische Positionen vertretenden Berliner Volkszeitung: Er konzediert Malpricht und seinem Werk: „Der sie schuf, ist jedenfalls ein von seinem Werk erfüllter Künstler“(10). Ähnlich urteilt Paul Friedrich: „Wie weit man auch politisch von seiner Weltanschauung steht, künstlerisch ist er ein merkwürdiger Einzelgänger und ein Mann ‚für sich‘“(11). An der Spitze der Bejaher steht Adolf Behne, der in einem von Malprichts Bildern einen „aufregende[n] Grenzfall zwischen der Zufälligkeit eines farbigen Schneewirbels und der sicheren Planmäßigkeit farbiger Organisierung“ sieht und das „reinste[] Spiel farbiger Werte“ anerkennt(12).
Die revolutionäre Phase Malprichts endet mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten. Es gilt als sicher, dass Malpricht auch weiterhin (in prekären Verhältnissen) gemalt und sich dabei den veränderten politischen Verhältnissen angepasst hat. Im letzten Jahrzehnt ist allerdings nur ein einziges Bild der zweiten Schaffensphase im Handel aufgetaucht. Entsprechende Belege für sein Weiterarbeiten finden sich in der Akte der „Spende Künstlerdank“(13).
Zumindest in seiner letzten Lebenszeit ist Malpricht (auch) einem Brotberuf nachgegangen. Die Sterbeurkunde(14) des am 6.12.1941 tot in seiner Wohnung Aufgefundenen bezeichnet ihn als Posthilfsarbeiter.

Einladung zur Ausstellung Bertzà/Malpricht (180. Ausstellung des „Sturm“). Ebayscan (bearbeitet), 2023

Abbildungen aus den Jahren vor 1933:

Juli-Ausstellung [1927] des „Sturm“ Berlin. Klebebilder von Max Malpricht.
© Presse-Photo G.m.b.H. Abzug in Privatbesitz Eppertshausen.
Es handelt sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um die 162. „Sturm“-Ausstellung.
Max Malpricht: Klebebild. Kunstausstellung „Der Sturm“
Das neue Berlin 1929. H. 3, S. 68
Motiv vom Darß 1931. Öl auf Karton. 69×84 cm (gerahmt). Privatbesitz

Anmerkungen:

  1. Akademie der Künste; Signatur PrAdK 0939, Blatt 114 ↩︎
  2. a.a.O., Blatt 115 ↩︎
  3. vgl. Chronologie der Ausstellungen aus den Jahren vor 1933 ↩︎
  4. Ernst Collin in der BVZ vom BVZ 20.5.1927 ↩︎
  5. ders. in der BVZ vom 5.11.1930 ↩︎
  6. ebda ↩︎
  7. Katalog der zweiten Berliner Kunstausstellung, der Juryfreien; nach H.E.: Berliner Kunstausstellungen; in der Danziger Volksstimme vom 10.9.1931 ↩︎
  8. W.W.: Sonderausstellungen; in: Vorwärts vom 10.9.1931 ↩︎
  9. C.F.W. Behl in: Hamburger Nachrichten, 19.10.1931 ↩︎
  10. BVZ vom 7.1.1929 ↩︎
  11. Berliner Börsen-Zeitung vom 24.10.1930 ↩︎
  12. Welt am Abend vom 30.1.1929 ↩︎
  13. im Bundesarchivbestand Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda (R 55/32054) ↩︎
  14. im Landesarchiv Berlin ↩︎

Literaturhinweise:

  • E[rnst]. C[ollin].: Der Holzfäller als Maler. In den Ausstellungen; in: BVZ 20.5.1927. Nr. 237. S. 2
  • E[rnst]. C[ollin].: in: … und heiter die Kunst? In den Ausstellungen; BVZ 23.9.1928. Nr. 451, 2. Beiblatt
  • E[rnst]. C[ollin].: Kunst und Technik; in: BVZ 7.1.1929. Nr. 46, S. 2
  • Adolf Behne: Querschnitt durch Berliner Kunstausstellungen; in: Welt am Abend 30.1.1929. Nr. 25. Beilage, S. 2
  • Paul Friedrich: Aus den Kunstsalons; in: BVZ 12.2.1929. Nr. 72, S. 3
  • Paul Friedrich: Berliner Kunstausstellungen. Sonderausstellungen der Juryfreien. Zweite Reihe; in: Berliner Börsen-Zeitung, 24.10.1930.Nr. 249. Beilage Kunst Welt Wissen
  • E[rnst]. C[ollin].: Rückkehr zur Natur? In den Ausstellungen; in: BVZ 5.11.1930. Nr. 522. S. 2
  • W.W.: Sonderausstellungen; in: Vorwärts 10.9.1931. Nr., 424, S. 3
  • H.E.: Berliner Kunstausstellungen; in: Danziger Volksstimme 10.9.1931. Nr. 211, S. 9)
  • C.F.W. Behl: Berliner Kunstwanderung. „Große Berliner II.“ und „Juryfreie“; in: Hamburger Nachrichten, 19.10.1931. Nr. 488, S. 3

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