Pukl, Marie

* 12. Februar 1881 in Twerschitz (heute Tvrsice) als Marie Wolfram
† 18. November 1935 in Wien

Vater: Josef Wolfram, im Heiratsregister der Tochter als Privatier angegeben
Mutter: Pauline Wolfram, geb. Gruss

Marie Wolfram heiratet am 17. Mai 1905 in Saaz (heute Zatec) Eduard Josef Pukl (eigener Eintrag); vor der Eheschließung tritt sie am 4.3.1905 vom katholischen zum evangelischen Glauben über.
Am 28. Oktober 1905 wird in Turn (heute Trnovany) beider Tochter Helene Berta Pukl geboren; diese stirbt als verheiratete Grünberger am 20. Februar 1984 in Wien.

Marie Pukl lebt (wahrscheinlich) seit 1908 (1) mit ihrer Familie und weiter nach dem Tod ihres Mannes († 24. Dezember 1921) mit der gemeinsamen Tochter bis zum  Juli 1924 unter der Anschrift Wien, Sterneckplatz 6/II/31, vom 3.7.1924 dann bis zu ihrem Tod am 18.11.1935 unter der Anschrift Abt Karl Gasse 4/III/25.

Marie Pukl ist vor ihrer Eheschließung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als Industriearbeiterin tätig gewesen. Erst mit ihrer Heirat mit einem Eisenbahn-Beamten, der im Lauf der Jahre beruflich allmählich aufsteigt, wird die finanzielle und soziale Lage langsam etwas sicherer.
Für das Jahr 1910 sind erste veröffentlichte Gedichte Pukls nachweisbar. In einem Aufsatz aus dem Jahr 1911 formuliert sie im Schlussabsatz ihr Credo zu einem neuen Zusammengehen von Lyrik und Leben: „Die Lyrik muss sich wieder das Leben erobern. Das Leben heißt aber Arbeit. Alles „arbeitet“, das Gehirn, der Mechanismus. Die „Arbeiterlyrik“ ist nur als „Lyrik der Arbeit“ lebensfähig, um in weiterem Sinne soziale Lyrik zu heißen als Ausdruck des tragischen Konfliktes zwischen Menschentum und Maschine oder als Ausdruck ihrer Vereinigung.“(2)
Josef Luitpold Stern ist der erste(3), der auf Pukl als Arbeiterin und Dichterin (allerdings mit dem falsch geschriebenen Nachnamen Puckl) hinweist. Sterns Bemerkung findet sich in allen späteren Hinweisen auf ihre Arbeiterinnen-Vergangenheit wieder.
Aus der insgesamt kleinen Zahl erhaltener literarischer (nachgewiesen sind ein gutes Dutzend Gedichte und eine gute Handvoll Erzählungen) wie auch essayistischer Texte spielen die Themen der (weiblichen) Arbeitswelt und der Armut eine nicht geringe Rolle(4).
Aller Wahrscheinlichkeit nach beendet sie die berufliche Tätigkeit nach ihrer Heirat und der Geburt ihrer Tochter. In der Folge, spätestens in den 1910er Jahren, taucht das Thema Familie/Mutterschaft in ihren Texten auf(5); und sie engagiert sich in der organisierten Hausfrauenbewegung als Funktionärin(6) und als Vortragende. Texte aus den Jahren vor Ausbruch des I. Weltkrieges beschäftigen sich mit Themen wie „Die Organisation der Hausfrauen“(7) oder „Hausarbeit und Heimarbeit der Frau“(8).
1918 taucht ihr Name noch einmal in einem Literaturzusammenhang auf: Die Abteilung für Literatur der Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissenschaft, Kunst und Literatur in Böhmen bewilligt ihr (neben anderen Autorinnen und Autoren) eine finanzielle Subvention(9).

Nach dem Tod ihres Mannes, finanziell wieder auf sich gestellt, arbeitet sie als Redakteurin; unter dieser Berufsbezeichnung wird sie in Adolph Lehmann’s allgemeinem Wohnungs-Anzeiger von 1926 (erstmals) bis 1936 geführt(10).
Marie Pukl stirbt am 18. November 1935 im Wiener Josefspital. Sie wird am 24.11.1935 in der Grabstelle ihres Mannes auf dem Nussdorfer Friedhof in Wien XIX bestattet; am 24.11.1935 erfolgt schließlich die Abmeldung aus dem amtlichen Register.

Marie Pukl ist trotz ihres dichterischen Talents nie in das Licht der literarischen Öffentlichkeit gerückt und schon bei ihrem Tod vergessen gewesen. Ein letzter Hinweis vor Beginn der Herrschaft der Nationalsozialisten in Deutschland findet sich bei Helene Adolf(11), die ihr eine „neue Farbigkeit“ attestiert.

Gedichte von ihr tauchen in den letzten Jahrzehnten vereinzelt in Anthologien zum expressionistischen Jahrzehnt und zu schreibenden Frauen auf, ohne die Autorin biographisch einordnen zu können(12).

Arbeiter-Zeitung 21.8.1910. Nr. 228 S. 4 Ausschnitt

Anmerkungen:

  1. Erstmals genannt in: Adolph Lehmann’s allgemeiner Wohnungs-Anzeiger Jg. 51 (1909), S. 929 ↩︎
  2. Marie Pukl: Soziale Lyrik (Lyrik der Arbeit); in: Die Lese. Bd. 2. 1911, S. 719 ↩︎
  3. Joseph Luitpold Stern: Arbeiter und Dichter; in: Der Kampf. Jg. 5 (1911-12). Nr. 4 vom 1.1.1912, S. 187. ↩︎
  4. Eine erste Sammlung von Beispielen „sozialer Lyrik“ in dem Sinne, in dem Pukl sie versteht, findet sich unter dem Titel „Wie es im Volke dichtet. VII. Gedichte von Marie Pukl“ in: Die Lese. Literarische Zeitung für das deutsche Volk. München. 2 (1911), S. 709 f
    Pukls Gedicht „Arbeitspause“ wird mehrfach abgedruckt (u.a. bei Stern, vgl. Anm. (3)), darüber hinaus als Beispiel talentierter Arbeitsdichtung von Lunatscharskij ins Russische übersetzt und 1912 in „Kievskaya Mysl“ publiziert (nach Frank Trommler: Sozialistische Literatur in Deutschland. Ein historischer Überblick,. Stuttgart: Kröner, 1976. S. 369) ↩︎
  5. Hierzu zählen Gedichte wie etwa „Mütterlichkeit; in:
    Der Sturm. Jg. 1 (1910/11). Nr. 52 vom 25. Februar 1911, S. 413 ↩︎
  6. Marie Pukl ist zumindest in den Jahren 1913/14 Mitglied im Ausschuss der Zentrale Wien bei der Reichsorganisation der Hausfrauen Oesterreichs, gibt Kurse und zeichnet offizielle Schreiben mit. Am 6.8.1913 hält sie in diesem Rahmen den Vortrag „Mutterarbeit und Staat“ (vgl. Der Morgen. Wiener Montagblatt 4.8.1913. Nr. 31, S. 11). ↩︎
  7. In: Deutsche Arbeit: Monatschrift für das geistige Leben der Deutschen in Böhmen. Prag: Deutsche Arbeit, Jg. 12 (1912/13), S. 317 ↩︎
  8. In: Deutsche Arbeit: Monatschrift für das geistige Leben der Deutschen in Böhmen. Prag: Deutsche Arbeit, Jg. 13 (1913/14), S. 341-342 ↩︎
  9. Deutsche Arbeit: Monatschrift für das geistige Leben der Deutschen in Böhmen. Prag: Deutsche Arbeit, Jg. 17 (1917/18). Nr. 8 von Mai 1918, S. 351 ↩︎
  10. Nachgewiesen sind Texte u.a. in „Der Abend“ (Wien) und „Der Morgen. Wiener Montagblatt“. ↩︎
  11. Helene Adolf: Im neuen Reich, 1871-1914. Leipzig: Reclam, 1932. S. 21 ↩︎
  12.  z.B. in: „In roten Schuhen tanzt die Sonne sich zu Tod“. Lyrik expressionistischer Dichterinnen. Mit einem Vorwort und bio-bibliographischen Angaben herausgegeben von Hartmut Vollmer.
    Hamburg: Igel-Verlag, 2011 ↩︎

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