* 2.11.1889 in Hamburg
† 1.9.1978 New York
Ingeborg Lacour(1)-Torrup(2) geboren als Martha Ingeborg Jensen
Dänisch-deutsche Künstlerin
Eltern:
Vater: Joachim Antonius Jensen, Kaufmann [* 17.1.1855, Varde nahe Esbjerg]
Mutter: Martha Frederica Augusta Susanne, geb. Hahn [* 21.5.1864, Hamburg]
Eheschließung der Eltern: 14.11.1885 in Varde
Schwester: Erna Auguste Hansine Jensen [*17.2.1887. HH, Standesamt 3. 946]
Spätestens 1916 ist Ingeborg Torrup in San Francisco als Tänzerin von Originaltänzen bekannt; 1916/17 sind regelmäßige Auftritte im Cliff House unter Leitung von Mrs. Douglas Crane nachgewiesen(3), 1919 in der Orientabteilung des Palace of Fine Arts in San Francisco(4). Zu jener Zeit arbeitet sie als Lehrerin für ästhetischen Tanz an der California School of Fine Arts, ehe sie 1920/21 an die Ada Clement Music School(5) wechselt, die gerade ein „department of interpretive dancing“ unter ihrer Leitung einrichtet. Sie wird charakterisiert als Künstlerin „of international reputation as an exponent of rhythmic interpretation and plastic visualization of music“(6).
Im Winter 1921/22 bricht Ingeborg Torrup zu ihrer ersten nachgewiesenen Tournee als Tänzerin auf, die sie über Kopenhagen nach Deutschland führt: mit mehreren Stationen in Berlin (Kammerspiele des Dt. Theaters, Blüthnersaal, Schwechtensaal, Theater am Kurfürstendamm), Dresden, Hamburg, Leipzig.
Sie kommt auf dieser Tournee mit Herwarth Walden in Kontakt (Eintrag im Gästebuch der Waldens am 14.2.1922; erneut anlässlich der zweiten Tournee am 12.6.1923). Walden nimmt sie unter seine Fittiche und setzt sich im „Sturm“ mit einigen negativen Presseartikeln anlässlich des Leipziger Abends vom 1.3.1922 (im Zentraltheater) auseinander(7).
Die Presse äußert sich allerdings durchaus nicht nur negativ, sondern vielfach wohlwollend wie bspw. anlässlich des Dresdner Abends am 8.4.1922 im Künstlerhaus, wo ihr die Möglichkeit einer Zukunft als herausragende Tänzerin in Aussicht gestellt wird(8)(9).
Der ersten Tournee nach Europa schließt sich von März bis Juli 1923 eine weitere an, in der sie in Berlin (u.a. in der Kunstausstellung der Sturm; daneben im Schwechtensaal) sowie in Kopenhagen und Dresden auftritt(10)(11). Anlässlich dieser Tournee publiziert der Verlag Der Sturm das schmale illustrierte Bändchen „Ingeborg Lacour-Torrup. Dances“(12), in dem sich Der Sturm stolz als „Impresario of Ingeborg-Lacour-Torrup for all Europe“ präsentiert. Mit der Juni-Ausgabe 1923 des „Sturm“ beginnt dann die Reihe der Publikationen von Torrup-Gedichten im „Sturm“(13)(14).
Nach ihrer Rückkehr in die USA stehen Vorträge und Texte über expressionistischen Tanz und expressionistische Dichtung in enger Anlehnung an Waldens Überlegungen(15) sowie Lehrtätigkeit für modernen Tanz und Auftritte als Tänzerin in Torrups Fokus.
Ingeborg Torrup taucht im Sommer 1925 erstmals als Schauspielerin auf und präsentiert sich (erstmals als Ingeborg mit alleinigem Nachnamen Torrup) in der Rolle der Anitra in Ibsens „Peer Gynt“(16) im Pasadena Playhouse, Pasadena, California, USA. Die Schauspielerei tritt an die Seite von Tanzunterricht und Tanzabenden, bleibt allerdings bis ins Spätjahr 1926 ein Nebenaspekt ihres Schaffens(17). Ihr Lebensmittelpunkt bleibt bis über die Mitte der 20er Jahre in Kalifornien. An der Ostküste tritt sie erstmals am 18.11.1926 mit „expressionistischen Tänzen“ im Central Park Theater, New York, auf. In der Folgezeit nimmt sie ihren Lebensmittelpunkt an der Ostküste, in und um New York. Mit dem Wechsel verbunden ist, dass sie ihre Geschäfte dem Management von Ernest Briggs anvertraut(18).
Ab Frühjahr 1928 rückt die Schauspielerei in den Fokus ihres Schaffens: Walter Hampden, ein er der erfolgreichsten Theatermänner am Broadway seiner Zeit(19) wählt sie für seine Truppe aus. In dieser Truppe ist sie, beginnend mit „The Light of Asia“, Hampdens erste Schauspielerin. Die Erstaufführungen und Wiederaufnahmen, an denen Torrup beteiligt ist, folgen rasch aufeinander(20).
Die Wertschätzung, die der Schauspielerin Ingeborg Torrup entgegengebracht wird, ist geteilt: Geddeth Smith charakterisiert Hampdens Motivation, Torrup auszuwählen, wie folgt: A delicate and slender young woman, she was described as an exotic, dark-haired beauty, Oriental in appearance, with something of the mystery oft he East about her personality. Walter was very taken with her(21). Dass es auch eine davon abweichende Beurteilung gab, macht folgende Kritik deutlich: Ingeborg Torrup, Mr. Hampden’s new leading lady, is pictorially exquisite, but suffers the handicap of a noticeable foreign accent. Moreover, she was either poorly directed in her earlier scenes, or else lacks any depth of feeling which she is capable of expressing(22).
Torrups Karriere bekommt einen ersten Knacks nach einem Selbstmordversuch, den sie im Februar 1929 unternimmt, von dem sie sich körperlich jedoch rasch erholt. Dieser missglückte Versuch wird von der Tagespresse weidlich ausgeschlachtet – ein deutliches Signal dafür, dass Torrup in den späten 20er und frühen 30er Jahren des 20. Jahrhunderts eine Person des öffentlichen Interesses ist. Hampden wählt sie auch für die Spielzeit 1929/30 wieder als erste Kraft für seine Truppe aus, mit der sie dann bis zum Frühjahr 1930 noch an einer Reihe weiterer Erstaufführungen beteiligt ist(23). Mit dem Frühjahr 1930 ist das Kapitel Hampden beendet. Es folgen ab September 1930 noch Arbeiten als Sprecherin für den Rundfunk WOR (vor allem Sendungen zu Ibsen und mit Ibsen-Texten) sowie eine Reihe von Aufführungen mit der Chicago Shakespeare Society unter Leitung von Fritz Leiber, in denen Torrup in Shakespeare-Stücken zu erleben ist. Auch dort ist sie „leading woman“(24). Ab 1931 sind Auftritte Torrups als Schauspielerin nicht mehr nachgewiesen.
1932 (nach anderen Angaben bereits 1930) widmet Torrup sich wieder ihrer unterbrochenen Tätigkeit als Tanzlehrerin und als Choreographin: Sie beginnt, am 1902 gegründeten Greenwich House in Manhattan(25) jugendliche wie erwachsene Schülerinnen und Schüler zu unterrichten und Tänze mit ihnen einzustudieren(26).
Parallel arbeitet sie in den 30er Jahren, allerdings mit zunehmend weniger nachweisbaren Auftritten, als Tänzerin. Letztmals tritt sie am 3.6.1937 in der New School for Social Research in New York als Solistin auf(27). Ihr Interesse verlagert sich zunehmend auf die Choreographie, für die sie ab 1937 in zahlreichen Aufführungen beim Rollins Studio, East Hampton, N.Y.(28), verantwortlich zeichnet. Einzelne davon sind mit Programmzetteln dokumentiert; regelmäßig berichtet die lokale Presse (East Hampton Star; später nach dem Umzug Rollins‘ 1946 in das Lenox Theatre, der Berkshire Evening Eagle) und tut dies durchweg positiv(29).
Im Sommer 1950 hält Torrup sich ein letztes Mal in Dänemark auf.
Zu diesem Zeitpunkt ist die Zusammenarbeit sowohl mit dem Greenwich House als auch mit Rollins höchstwahrscheinlich beendet.
Nach ihrer Rückkehr engagiert sich Torrup bis 1953 als Co-Direktorin beim Plymouth Rock Center of Music and Drama in Dunbury, Massachusetts, wo sie in Duxbury, Mass., Opernregie führt.
Nach 1953 zieht sich Torrup aus dem öffentlichen Leben zurück. Sie lebt noch weitere 25 Jahre (in New York) und verstirbt am 1. September 1978, hochbetagt mit 89 Jahren.
Mabel Sykes: Ingeborg Torrup. 20er Jahre
Anmerkungen:
- Aus Zeitungstexten der Jahre 1916 und 1917 geht hervor, dass sich Ingeborg Torrup in Paris aufgehalten hat/aufgehalten haben soll. [Ein Beleg fehlt.] Der Name La Cour oder Lacour, den sie dem Familiennamen zwischen 1916 und 1924 voranstellt, dürfte ein reiner Künstlername sein. ↩︎
- Zusatz im Geburtsregister-Eintrag der Schwester Erna Auguste Hansine vom 22.11.1918: Vater und Tochter (hier ist nur von Ingeborgs Schwester die Rede) sind aufgrund eines Bescheides der Regierung vom 27.3.1918 berechtigt, den Namen Torrup als zweiten Familiennamen zu tragen – also Jensen Torrup. Dasselbe wird auch für die jüngere Schwester Ingeborg gegolten haben. ↩︎
- The San Francisco Examiner 15.11.1916; Werbeanzeigen auch in weiteren Zeitungen wie San Francisco Chronicle, San Francisco News Letter u.a.m. ↩︎
- Oakland Tribune 26.10.1919 ↩︎
- Ab 1923 umbenannt in San Francisco Conservatory of Music ↩︎
- Bailey Millard: History of the San Francisco Bay Region. History and Biography. Chicago: American Historical Society, 1924. S. 44f ↩︎
- Herwarth Walden: Von den schönen Künsten. Tanzkunst; in: Der Sturm Jg. 13. 1922. Nr. 5 von Mai 1922, S. 68-70 ↩︎
- Zu diesem Abend ist der Programmzettel erhalten (Standort: Deutsches Tanzarchiv Köln) ↩︎
- ag [d.i. Alfred Günther]: Eine neue Tänzerin; in: Dresdner neueste Nachrichten 11.04.1922. Nr. 86, S. 2 https://digital.slub-dresden.de/werkansicht?tx_dlf[id]=213880&tx_dlf[highlight_word]=torrup&tx_dlf[page]=2&cHash=08d3f38d720483513346128ecb15296b ↩︎
- Ein Bilddokument mit der Unterschrift „Ingeborg Lacour-Torrup führte eigenartige expressionistische Tänze vor“ findet sich in: Die Woche. 1923. Bd. 25. S. 459; https://archive.org/details/diewoche25.1923teil12janjun/page/n467/mode/2up ↩︎
- Neben den bislang bekannten Auftritten ist eine weitere Anzahl von Auftritten nicht unwahrscheinlich angesichts eines Europa-Aufenthalts von mehr als drei Monaten. ↩︎
- 16 S. Das Bändchen enthält den programmatischen Aufsatz „Thoughts on the Dance“ (S. 5-7), Rezensionen von Tanzabenden (S. 8, 11, 12, 15, 16) sowie Fotos von Bewegungsstudien (S. 3, 9, 13). Alle Texte sind aufgrund des Anspruchs auf Internationalität ins Englische übersetzt bzw. auf Englisch verfasst.
Das Bändchen ist ein Rarissimum: Worldcat nennt nur eine Bibliothek, die „Dances“ in ihrem Bestand hat: die Chapin Library des Williams College. ↩︎ - Folgende Veröffentlichungen Ingeborg Torrups haben sich nachweisen lassen [vgl. Anlage] ↩︎
- Die Gedichte Torrups haben augenscheinlich bis nach Südamerika ausgestrahlt: In der Bibliothek des brasilianischen Dichters und Schriftstellers Mário de Andrade finden sich handschriftliche Anmerkungen zu den Gedichten Torrups in den Nummern 6 und 7 des 14. „Sturm“-Jahrgangs; vgl. Rosângela Asche de Paula: O expressionismo na biblioteca de Mário de Andrade: da leitura à Criação. Diss. phil. São Paulo 2007, S. 134 f
URL: https://www.teses.usp.br/teses/disponiveis/8/8149/tde-20022008-111139/publico/TESE_ROSANGELA_ASCHE_PAULA.pdf ↩︎ - Neben Vorträgen zum expressionistischen Tanz, wohl aufbauend auf ihrem Text in „Dances“ (z.B. am 16.10.1923 an der University of California) findet sich ein Essay zur expressionistischen Dichtung u.d.T. „Expressionism in Poetry“; in The San Francisco Review Jg. 1. 1925. Nr. 8 von November 1925, S. 179-182 ↩︎
- Folgende Auftritte Ingeborg Torrups als Schauspielerin haben sich nachweisen lassen [vgl. Anlage] ↩︎
- Gut dokumentiert ist die Aufführung von Wildes „Salome“ im Potboiler Art Theatre
https://homesteadmuseum.blog/2020/07/31/treading-the-boards-a-program-for-oscar-wildes-salome-at-the-potboiler-art-theatre-los-angeles-30-31-july-1926/; Ingeborg Torrup in der Titelrolle ↩︎ - Eine Übersicht über die Betriebsamkeit von Ernest Briggs zur Spielzeit 1926/27 gibt ein Artikel „Briggs Having Busy Season“ in Music Magazine and Musical Courier vom 12.8.1926, S. 19; digital unter https://archive.org/details/sim_music-magazine-and-musical-courier_1926-08-12_93_7/page/18/mode/2up ↩︎
- vgl. Geddeth Smith: Walter Hampden. Dean of the American Theatre. Madison, N.J., [u.a.]: Fairleigh Dickinson Univ. Press, 2008) ↩︎
- „Light of Asia“ von Georgina Jones Walton; Rolle der Yashodara; EA 9.10.1928
„Caponsacchi“ von Arthur Goodrich u. Rose A. Palmer; Rolle der Pompilia. EA 19.11.1928 ↩︎ - Geddeth Smith a.a.O., S. 229 ↩︎
- Elizabeth Coatsworth: The Harpies; in: The Commonweal, Band 8. 31.10.1928, S. 667 ↩︎
- „The Bonds of Interest“ von Jacinto Benavente. EA 14.10.1929
„Richelieu“ von Sir Edward Bulwer-Lytton in der Adaption von Arthur Goodrich EA 6.12.1929 ↩︎ - Exits and Entrances; in: Oakland Tribune, 26.11.1930 ↩︎
- vgl. https://greenwichhouse.org/about/ ↩︎
- Mehr bei Jessica Ray Herzogenrath: Dancing American-Ness Settlement Houses and Transformation of the Immigrant Body. Florida State University 2009, bes. S. 78 f ↩︎
- vgl. Eugene Burr: Ingeborg Torrup in Fine Dance Recital; in: The Billboard 12.6.1937. Nr. 24, S. 4 + 26 ↩︎
- Marian Janssen: Not at All What One Is Used To. The Life and Times of Isabella Gardner. Columbia [u.a.]: Univ. of Missouri Press, 2010. Passim ↩︎
- Beide Tageszeitungen liegen nur partiell digitalisiert vor; die Einschätzung beruht auf den Ausgaben, auf die ein elektronischer Zugriff möglich war. ↩︎
Anlagen:
Ingeborg [Lacour-]Torrup: Texte
Ingeborg Torrup: Soloprogramme
Ingeborg Torrup: Unterricht und Einstudierungen
Theater-Inszenierungen, in denen Ingeborg Torrup auftritt