Heinar, Kurt

* 17.3.1905 in Alt-Strelitz i. M. als Erich Karl Ludwig Schnaufer(1)
† 1.2.1981 Baden-Baden

Vater: Erich Albert Otto Schnaufer, Techniker (* 10. März 1877 in Strelitz;
† 20.2.1939 in Berlin-Steglitz)
Mutter: Emma Luise Agnes, geb. Baumhoefener (* 30.5.1877 in Bielefeld;
† 27.8.1941 in Gadderbaum, Kreis Bielefeld)
ꝏ 26. März 1904 in Berlin StA. VI.
Beide 1905 ansässig Berlin SO 16, Schmidstr. 21 /I.

Ab 1911 besucht Schnaufer das Königstädtische Realgymnasium in Berlin, das er 1920 mit der Obersekundarreife verlässt: Er entläuft fünfzehnjährig „dem Betrieb rettungsloser Oberlehrer“(2). Ab November 1920 Banklehre in einer Depositenkasse der Commerz- u. Privatbank AG, Berlin, die er nach 2 ½ Jahren als Bankkaufmann 1923 abschließt. Von 1923 bis 1926 Bankangestellter ebenda.
Seit Oktober 1922 veröffentlicht er unter dem Pseudonym Kurt Heinar Gedichte in der von Herwarth Walden herausgegebenen Zeitschrift „Der Sturm“(3); im April 1924 erscheint sein Gedichtband „Und alles Blut zerschreit“(4). Am 23.8.1924 ist eine einzige Lesung Heinars aus seinen Werken nachgewiesen(5).1926 nimmt er an der Sitzung der „Internationalen Vereinigung der Expressionisten, Futuristen, Kubisten und Konstruktivisten e. V.“ teil und wird als neues Mitglied aufgenommen.

Ab Sommersemester 1926 studiert Schnaufer Wirtschaftswissenschaften an der Handels-Hochschule Berlin. 1930 legt er nach bereits einigen Studiensemestern die Reifeprüfung vor dem Prüfungsausschuss des Provinzial-Schulkollegiums der Provinz Brandenburg und von Berlin ab.

Ab 1926 ist er Vorsitzender der Sozialistischen Studentenschaft, Ortsgruppe Berlin. Das Pseudonym „Kurt Heinar“ wird erstmals in der Ankündigung eines von Heinar/Schnaufer organisierten Abends der Sozialistischen Studentenschaft öffentlich gelüftet(6). Im Frühjahr 1931 tritt er zur KPD über(7) und wird Vorsitzender der Roten Studenten an der Handels-Hochschule. Er liefert Beiträge zu Organen wie „Die Fanfare“(8), „Der Schulkampf“ und „Der Rote Student“ und wird redaktioneller Mitarbeiter an „Die Internationale“ und „Die Rote Fahne“. 1932 bis 1933 ist er Mitglied im Bund proletarisch-revolutionärer Schriftsteller.
Schnaufer besteht im Mai 1932 die kaufmännische Diplomprüfung; Promotionspläne scheitern, da er Anfang 1933 wegen seiner politischen Betätigung von der Hochschule verwiesen wird.

Von Juni 1932 bis Ende März 1935 arbeitet Schnaufer als Buchhalter und Korrespondent bei der Handelsvertretung der UdSSR in Deutschland.
Am 14. November 1932 heiratet er Wilhelmine [„Lilli“] Flauger (* am 21.4.1900 in Grundmühlen).

Bis Juli 1944 ist Schnaufer erst Revisor, dann Abteilungsleiter beim Scherl-Verlag. Am 31. Juli 1944 erfolgt die Einberufung zum Militär; Schnaufer gerät am 22. April 1945 in Berlin-Hohenschönhausen in sowjetische Gefangenschaft und wird im Lager Küstrin interniert; Entlassung am 12. Juli 1945. Mitgliedschaft in der KPD, dann in der SED.
Bis 30. April 1947 ist er als Hauptreferent für organisatorische Wirtschaftsfragen beim Magistrat von Groß-Berlin tätig. Danach arbeitet er als Abteilungs- / Hauptabteilungsleiter in der Finanzverwaltung sowie im Ministerium der Finanzen der Deutschen Demokratischen Republik. Am 1. Juni 1951 fristlose Entlassung, Abnahme der Parteidokumente und Einleitung eines Parteiverfahrens wegen illegaler Gewerbeausübung durch seine Frau, nicht angegebener Auslandskontakte sowie Sabotage eines Befehls der Sowjetischen Militäradministration.

Es ist hochwahrscheinlich, dass Schnaufer Ende Juni 1951 nach West-Berlin flüchtet. Am 1. Juni 1959 übersiedelt er nach Baden-Baden; seine Frau folgt ihm ein Vierteljahr später nach. Ab 1952 fungiert er als Geschäftsführer der Deutscher Betriebswirte-Verlag GmbH, Berlin/Baden-Baden, sowie als Verlagsleiter des Verlags für Unternehmensführung Franz W. Wesel, Baden-Baden. Vom 1. November 1962 an organisiert er einen Bücherdienst für Führungskräfte, den er zum 31.12.1980 aus Alters- und Krankheitsgründen einstellt.

Neben zahlreichen Veröffentlichungen zu betriebswirtschaftlichen Themen ist Schnaufer 1956 mitverantwortlich für die Festschrift „Ein Halbjahrhundert betriebswirtschaftliches Hochschulstudium“ anlässlich des 50. Gründungstags der Handels-Hochschule Berlin (Berlin: Dt. Betriebswirte-Verl., 1956).

Erich Schnaufer stirbt am 1. Februar 1981 in Baden-Baden. Seine Frau überlebt ihn um mehr als 16 Jahre und verstirbt am 4. September 1997. Beide werden auf dem Hauptfriedhof Baden-Baden beigesetzt.

Werke:

Uns alles Blut zerschreit.
Berlin: Verlag Der Sturm, 1924.
Kurt Heinar.
Jena: Edition Poesie schmeckt gut, 2019
(Versensporn – Heft für lyrische Reize; 36)

Anmerkungen:

  1. Dem Artikel im Sturm-Baukasten vorausgegangen ist eine Kurzfassung von Heinars Leben im Heft 36 von „Versensporn“ (Jena: Edition Poesie schmeckt gut, 2019). Diese Vita, verfasst von Tom Riebe, baut auf den Forschungsergebnissen von Peter Ludewig und Volker Pirsich auf.
    Im vorliegenden Artikel wird Schnaufer nur mit seinem dichterischen Pseudonym Heinar genannt, wenn es sich um sein dichterisches und schriftstellerisches Werk handelt; ansonsten firmiert er unter seinem bürgerlichen Nachnamen Schnaufer. ↩︎
  2. Expressionistische Dichtungen vom Weltkrieg bis zur Gegenwart. Hrsg.: Herwarth Walden / Peter A. Silbermann. Berlin: C. Heymanns Verlag, 1932, S. 76 ↩︎
  3. Verzeichnis der Veröffentlichungen Heinars bis 1933 als eigenes Dokument ↩︎
  4. Heinars Dichtungen werden öffentlich kaum wahrgenommen. Sein Gedicht „Friedrich der Große“ (zuerst in: Der Sturm. Jg. 14 (1923). H. 2 von Februar 1923, S. 32) findet Beachtung (hier zugleich: Ablehnung) in der Süddeutschen Zeitung (Friedrich der Große in modernster Poesie; Ausgabe vom 3.3.1923. Nr. 94, S. 11). Auf den Band „Und alles Blut zerschreit“ geht kurz Ethel Talbot Scheffauer unter „Goethe Finds and Some Birthdays“ ein (The Bookman 1924 Vol. 60. Nr. 10, S. 244), wo sie Heinar als „meteor“ und nicht als „new star“ bezeichnet und ihn wie folgt charakterisiert: „exclamatory, staccato, inclining to mistiness of meaning and one word lines, and sounding well and full of significance only when transformed by the powerful elocution of the „Sturm“ master speaker, Dr. Rudolf Blümner, …“ ↩︎
  5. anlässlich des „Verlegertees“ in der „Rampe“ (Kurfürstendamm 32), der den Autoren des „Sturm“ gewidmet ist, vgl.:
    Ankündigungen in:
    BBZ 22.8.1924. Nr. 393, S. 4
    BT 22.8.1924. Nr. 398, S. 2
    Besprechungen in:
    M—H.: „Sturm“ in der Rampe; in:
    BBZ 27.8.1924. Nr. 407, S. 2
    S. J-y.: Sturm in der Rampe; in:
    BT 27.8.1924. Nr. 407, S. 4
    Gabriele Reuter; Verlegertee; in:
    Neue Freie Presse 7.9.1924.Nr. 21550, S. 31 f ↩︎
  6. Vorwärts 30.1.1931. Nr. 49, S. 8 ↩︎
  7. Wegen „organisationsschädlichen Verhaltens“ wird gegen Schnaufer und sechs weitere Vorstandsmitglieder ein Ausschlussantrag von der Sektion Handelshochschule der Sozialistischen Studentenschaft Berlin gestellt; vgl. Vorwärts 26.4.1931. Nr. 194, S. 14. Die Hintergründe des Übertritts zur KPD werden in dem Artikel „Heimgefunden. Die „Revolutionäre bei der KPD. gelandet“ (Der Abend. Spätausgabe des Vorwärts 8.6.1931. Nr. 262, S. 2) ausgebreitet; vgl. auch Rote Fahne vom 6.6.1931.
    Nr. 118, S. 1, und vom 9.6.1931. Nr. 120, S. 8 ↩︎
  8. Selbstauskunft in einem Personalbogen des Ministeriums der Finanzen der Deutschen Demokratischen Republik vom 26.11.1950.
    Quelle: Bundesarchiv, DN1-38136.
    Bislang kein Nachweis über Texte Heinars in der „Fanfare“. ↩︎

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