Postkarten im Verlag Der Sturm

Postkarten werden im Verlag Der Sturm spätestens ab 1912 herausgegeben. Drei Grundtypen lassen sich unterscheiden. Zwei davon sind bildliche Instrumente, Sturm-Kunst und Sturm-Künstler in alle Regionen Deutschlands (und darüber hinaus) zu transportieren; den dritten Grundtypus bilden Werbekarten, die auf Verlagsprodukte, Ausstellungen oder Veranstaltungen hinweisen. Bei diesem letztgenannten Typus handelt es sich Akzidenzdrucke, in der Mehrzahl der Fälle ohne größeren typographischen und/oder künstlerischen Anspruch (wobei es in den 20er Jahren bemerkenswerte Ausnahmen gibt).
Es ist davon auszugehen, dass bislang unbekannte Akzidenzdrucke in der Zukunft noch weiter, z.T. im Antiquariatshandel oder auf Auktionen, auftauchen werden.

Die beiden weiteren Typen, die Kunstpostkarten und die Künstlerkarten des „Sturm“, stellen dagegen wohl weitgehend abgeschlossene Einheiten dar. Es ist sicher möglich, dass noch weitere aus Privatsammlungen in den Handel kommen (zuletzt ist das der Fall bei einer Karte mit der Abbildung einer Arbeit Hans/Jean Arps gewesen); aller Voraussicht nach ist jedoch davon auszugehen, dass es nicht mehr viele große Überraschungen geben wird.

Die Sturm-Kunstpostkarten erscheinen über etwas mehr als ein Jahrzehnt zwischen 1912 und (spätestens) 1926. Ihre Gesamtzahl beläuft sich auf etwa 100.
Neben überwiegend einzeln publizierten Karten fallen drei Serien von Karten ins Auge, die für entscheidende Phasen in der Entwicklung der Propagierung neuer Kunst durch den „Sturm“ stehen:
Ganz zu Beginn der Karten-Edition des „Sturm“ stehen die Karten mit Abbildungen futuristischer Kunst, die sich eng an den in der zweiten Ausstellung des „Sturm“ gezeigten Werken orientieren: Nachgewiesen sind derzeit sieben Karten, zumeist sowohl als Licht- als auch als Clichédruck. Sie erscheinen nach dem Wechsel der Ausstellungsräumlichkeiten des „Sturm“ von der Königin-Augusta-Straße in die Potsdamer Straße 134a in zweiter Auflage ab Mai 1913 mit aktualisierter Versoseite (wobei allerdings nicht gesichert, wie viele dieser Karten diese zweite Auflage erfahren).
Nur ein gutes Jahr später zeigt der „Sturm“ seine größte Ausstellung überhaupt; von September bis November 1913 ist der „Erste Deutsche Herbstsalon“ (EDHS) zu in eigens angemieteten Räumlichkeiten sehen. Diese Ausstellung wird nicht nur von einem reich illustrierten Katalog (mit 50 Abbildungen), sondern auch von einer nennenswerten Zahl von Kunstpostkarten begleitet. Aller Wahrscheinlichkeit nach liegt die Zahl der EDHS-Karten bei 20. Vieles spricht für eine „runde“ Zahl: Walden neigt dazu, für seine Publikationen griffige Zahlen zu verwenden; bspw. umfasst die erste Folge von Kokoschka-Zeichnungen 20 Zeichnungen; für die ab 1917 edierte erste Folge der Kunstpostkarten der Sammlung Walden wählt Walden 24 Arbeiten aus, von denen er Postkarten anfertigen lässt.
Es gibt beim Herbstsalon, auch unter dem Gesichtspunkt der Zusammenstellung der Ausstellung, allerdings noch einige Fragezeichen: Es sind mindestens zwei Karten als Herbstsalon-Karten nachgewiesen, für die es keinen entsprechenden Nachweis im Ausstellungsverzeichnis gibt (den „Soldatenkopf“ von Michail Larionow sowie das „Dynamische Hieroglyph vom Ball Tabarin“ von Gino Severini). Hinzu kommt als dritte eine Karte nach einem Bild von Robert Delaunay („L’Equippe de Cardiff“), die im Oktober 1913 angekündigt wird, für die es bislang (Jahreswende 2024/25) jedoch keinen Nachweis gibt. Hier ist denkbar, dass es sich um eine Herbstsalon-Karte handelt (das Bild ist im Katalog abgebildet); aber auch hier fehlt der Nachweis im Ausstellungsverzeichnis. Mangels Nachweis ist eine eindeutige Zuordnung nicht möglich; sie wird hier daher als außerhalb des EDHS publiziert geführt. Bei den genannten drei Bildern können die Ursachen z.B. darin liegen, dass die Bilder erst nach dem Redaktionsschluss für den Katalog eingereicht wurden.
Von (nach derzeitigem Stand) fünf Karten (1 x Archipenko, 2 x Chagall, 1 x Gleizes, 1 x Loeb) fehlt eine Abbildung im Katalog.
Somit ergibt sich beim Herbstsalon ein interessantes Phänomen, verglichen mit der Praxis späterer Jahre: Spätestens seit den Jahren des I. Weltkriegs ist Walden ein Mehrfachverwender von Fotos, die damals ja nicht allgemein verfügbar waren. Seit der Veröffentlichung von „Einblick in Kunst“ (Erstauflage 1917) finden sich dieselben Fotos von Kunstwerken in Büchern und auf Postkarten. Das ist beim EDHS noch anders: Lediglich bei 14 Abbildungen des Katalogs gibt es eine Entsprechung als Kunstpostkarte.

Es ist davon auszugehen, dass -nach Diskussion der Zweifelsfälle- 20 Karten als Kunstpostkarten des Ersten Deutschen Herbstsalons publiziert worden sind.

Wie bereits eben erwähnt, offeriert der Verlag Der Sturm ab Mai 1917 eine erste Folge von Karten der Sammlung Walden, die folgende Künstler präsentiert:

Der Sturm Jg. 8 (1917/18). Nr. 1 vom 15. April 1917, S. 16 (u.ö.)

Bis Juni 1918 erscheinen noch fünf weitere Karten; die letzte nachweisbare trägt die laufende Nummer 29(1) (Wauer, William: Der Schlittschuhläufer).
Eine besondere Beachtung verdient die Karte nach dem Bild August Mackes „Der Spaziergang“ (laufende Nummer 28; Hinweis „Sammlung Walden“ fehlt). Es kann trotz des fehlenden Zuordnungsvermerks zur Sammlung allerdings davon ausgegangen werden, dass die Karte in diese Reihe und das Bild (zumindest vorübergehend) entsprechend in die Sammlung Walden gehört (vgl. dazu die Anmerkungen in der Dokumentation).

Mit einer Ausnahme sind alle Karten schwarz-weiß mit Grautönen bzw. in Sepiatönen gedruckt. Die einzige Ausnahme bildet eine Karte nach einem Aquarell von Marc Chagall, „Kleinstadt“, nahezu zeitgleich zu dem eingeklebten Kunstdruck(2) aus dem „Sturm“ (Jg. 10. Nr. 5 vom August 1919, S. 73) als Karte veröffentlicht.

Die Künstlerkarten des „Sturm“ beginnen im Dezember 1915 zu erscheinen; die letzten Karten erscheinen im Februar 1920. Mit Abschluss des 11. „Sturm“-Jahrgangs 1920 wird auf die Künstlerkarten in den Eigenanzeigen des „Sturm“ nicht mehr aufmerksam gemacht.

Die Nummerierung der Karten geht von der laufenden Nummer 1 (August Stramm) bis zur laufenden Nummer 22 (Kurt Schwitters). Allerdings ist die Zahl publizierter Karten höher als 22; sie beläuft sich auf 28.
Das Phänomen ist zum kleineren Teil dadurch zu erklären, dass es zu einem Sturm-Künstler (Rudolf Blümner) zwei unterschiedliche Karten gibt.
Die weiteren Karten wurden aus „Sturm“-Sicht nötig, um Künstler, die sich vom „Sturm“ abgewandt hatten, nicht mehr als „Sturm“-Künstler zu präsentieren. An ihre Stelle treten Karten für neue Künstler mit (zumindest vorübergehend) engen Bindungen an Walden und sein Imperium.
Im Einzelnen betreffen diese neuen Karten die laufenden Nummern


  1. Es gibt eine formal gleich aufgebaute Wauer-Karte („Die Tänzerin“), die als Nr. 30 der Sammlung Schreyer bekannt ist – ohne dass irgend eine andere Karte der Sammlung Schreyer nachweisbar wäre. Ohnehin ist die Schreyer-Sammlung kaum dokumentiert.
    Die Hypothese sei erlaubt, dass diese Karte die Nr. 30 der Sammlung Walden ist. ↩︎
  2. In zumindest einigen „Sturm“-Heften ist die Kunstpostkarte eingeklebt. Ob das durchgängig so gehandhabt worden ist, ist nicht sicher. ↩︎

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Download Verlag Der Sturm und Gesellschaft der Sturmfreunde. Werbliche Karten