Abende und Vorträge des „Sturm“ außerhalb von Berlin

Im Jahr 1924 fasst der „Sturm“ seine Aktivitäten außerhalb Berlins wie folgt zusammen:„Auswärtige Sturmabende fanden statt in Hamburg Frankfurt am Main / Cöln / Leipzig / Dresden / Hannover / Halle an der Saale / Dortmund / Erfurt / Essen / München / Breslau / Jena / Budapest / Kopenhagen.“
 „Vorträge über Expressionismus von Herwarth Walden fanden statt:
Berlin / Breslau / Leipzig / Kopenhagen / Dresden / Göteborg / Christiania / Haag / Halle an der Saale / Wien / Budapest / Paris / Amsterdam“.(1)
Dies ist eine sehr summarische Zusammenstellung, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben kann und will; sie verdeutlicht aber, wie weit in den europäischen Raum hinein Walden die Ideen und künstlerischen Manifestationen des „Sturm“ zu transportieren versucht.

Ein Versuch, die Abende und Vorträge des „Sturm“ außerhalb von Berlin systematisch zu erfassen und mit einigem Anspruch auf Repräsentativität zu dokumentieren, kann nicht gelingen: Zu unüberschaubar sind Waldens Reisen in den Jahren von 1912 bis zum Ende des „Sturm“, die regelmäßig auch dafür genutzt werden, um Propaganda für den „Sturm“ zu machen, sei es mit Vorträgen bzw. Reden, sei es mit musikalischen Soireen, sei es mit anderen künstlerischen Darbietungen.
Hinzuzurechnen sind neben Walden natürlich auch Rudolf Blümner und Lothar Schreyer, die im Namen des „Sturm“ auch außerhalb Berlins Vorträge gehalten haben oder aufgetreten sind.

Eine Besonderheit bilden die auswärtigen „Sturm“-Abende im engeren Sinne, die ein halbes Jahr nach der Begründung der Berliner „Sturm“-Abende mit einem Sturm-Kunstabend in Hamburg beginnen (6. Februar 1917). Für diese Abende gibt es zumindest bis Anfang 1919 Vorankündigungen auf den „Sturm“-internen Anzeigenseiten, die ein hohes Maß an Verlässlichkeit aufweisen: Der größte Teil dieser „Sturm“-Kunstabende hat sich über die jeweilige regionale Presse tatsächlich nachweisen lassen, vor allem mit Anzeigen und Ankündigungen, z.T. auch mit Rezensionen, in denen neben der Schilderung des Geschehens auch eine Wertung erfolgte – in vielen Fällen (besonders, was Blümners Rezitationen betrifft) durchaus wertschätzend.

Mit der frühen Nachkriegszeit endet jedoch die Zeit, in der der „Sturm“ verlässlicher Chronist seiner eigenen Unternehmungen ist (von den „Sturm“-Ausstellungen einmal abgesehen).
Es endet jedoch bei weitem nicht die Unternehmungslust Waldens und seiner engsten Mitstreiter Blümner und Schreyer, das „Sturm“-Werk in ganz Deutschland und über dessen Grenzen hinaus zu propagieren.

Die vorliegende Zusammenstellung macht deutlich, dass innerhalb Deutschlands nur wenige Städte im Fokus Waldens gestanden haben – vor allem Dresden und Hamburg. Für Hamburg liegt der Versuch einer Darstellung vor, die nach mehr als 40 Jahren seit Erscheinen allerdings einer Aktualisierung bedürfte(2).

Aus der nennenswerten Zahl von Darstellungen, die einzelne deutsche Orte / Regionen in den Jahren des Expressionismus und der Weimarer Republik in den Fokus stellen, wird dem „Sturm“ mehrfach Raum gegeben; im Fokus steht er (Stand 2024) allerdings nur einmal(3).

Der „Sturm“ ist von seinem Selbstverständnis her international ausgerichtet gewesen. Wirft man einen Blick auf die ersten Einträge der vorliegenden Dokumentation, stößt man auf zahlreiche Vorträge Waldens anlässlich von Ausstellungseröffnungen im Ausland. Mit Beginn des Ersten Weltkriegs wird die Zahl der Länder, in denen der„Sturm“ aktiv bleiben kann, stark eingegrenzt – neben Holland bleiben lediglich die skandinavischen Staaten in erreichbarer Nähe. Vor allem diese sind es dann auch, in denen Walden und Blümner auch nach Ende des Ersten Weltkrieges den „Sturm“ präsentieren; eine letzte Reise der beiden nach Skandinavien ist für 1927 nachweisbar(4).

Waldens Hauptreiseziel in den 20er Jahren ist allerdings die Sowjetunion; insgesamt elf Mal bereist er das Land bis zu seiner Ausreise dorthin im Jahr 1932(5). Der „Sturm“ hat auf keiner dieser Reisen eine Rolle gespielt: Alle Reisen wurden für den Bund der Freunde der Sowjetunion unternommen; es gab also auch keine (nachweisbaren) Veranstaltungen, die unter dem Aspekt von „Sturm“-Propaganda außerhalb von Berlin gewertet werden könnte. –

Die folgende Zusammenstellung umfasst so heterogene „Sturm“-Unternehmungen außerhalb Berlins wie

  • „Sturm“-Abende im engeren Sinne: Blümner rezitiert „Sturm“-Dichtungen, manches Mal begleitet von Walden mit eigenen Kompositionen am Flügel
  • Vorträge Waldens über das „Sturm“-Werk, häufig in Verbindung mit Ausstellungen / Ausstellungseröffnungen (nicht selten außerhalb Deutschlands)
  • Vorträge Blümners über den („Sturm“-)Expressionismus
  • Vorträge Schreyers (zunehmend zu Themen abseits des „Sturm“-Werks, bis zur Mitte der 1920er Jahre als dem „Sturm“ zugehörig firmierend)
  • Klavierabende Waldens
  • Lesungsabende Waldens aus eigenen Dichtungen
  • Theateraufführungen der „Kampfbühne“ in Hamburg durch Schreyer (plus eine Probe-Aufführung der Bauhaus-Bühne)
  • Aufführungen von Theaterstücken Waldens

Anmerkungen:

  1. Herwarth Walden: Einblick in Kunst. 9. Auflage. Berlin: Verlag Der Sturm 1924, S. 171 ↩︎
  2. Volker Pirsich: Der „Sturm“ und seine Beziehungen zu Hamburg und zu Hamburger Künstlern. Göttingen: Bautz, 1981 ↩︎
  3. „Das stärkste, was Morgen heute bietet“. Der Sturm in Jena. Gemälde, Zeichnungen, Druckgrafik und Skulpturen. Eine Ausstellung der Kunstsammlung Jena im Bauhaus-Jahr 2019. Herausgegeben von Erik Stephan. Jena: JenaKultur/Städtische Museen, 2019 ↩︎
  4. Zusammen mit Reinhard Goering per Flugzeug; vgl. Abo underrättelser 27.9.1927. Nr. 263, S. 4 ↩︎
  5. Vgl. Wladimir Koljasin: Herwarth Walden im Land der Bolschewiki. Eine dokumentarisch-biographische Skizze. Aus dem Russischen von Anne Hartmann.
    In: Eimermacher, Karl (Hrsg.): Stürmische Aufbrüche und enttäuschte Hoffnungen. Russen und Deutsche in der Zwischenkriegszeit. Paderborn: Fink, 2006; S. 955, Anm. 5 ↩︎

Download Hinweise

Download Materialien

Download Nachgewiesene Faltblätter und Programmzettel